Schlußstück von Rainer Maria Rilke, Gedicht über den Tod, Interpretation von Carmen Splitt

Schlußstück – ein Gedicht

Schlußstück – ein Gedicht von Rainer Maria Rilke

Inhalt des Beitrags:

  • Das Gedicht als Grafik für Deine (Pinterest)Pinnwand
  • Der Text des Gedichts „Schlußstück von Rilke“
  • Einige Hintergrundiformationen zum Dichter
  • Ein paar grundsätzliche Gedanken zu diesem Gedicht
  • Fragen, mit denen Du das Thema für Dich vertiefen kannst
Schlußstück von Rainer Maria Rilke, Gedicht über den Tod, Interpretation von Carmen Splitt
Rilkes bemerkenswertes Gedicht über den Tod punktet mit mehrfachen Bedeutungsebenen.

Schlußstück

Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
Lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.

Rainer Maria Rilke.
(Das Gedicht wurde 1906 veröffentlicht.)

Einige Hintergrundinfos zum Dichter

Rainer Maria Rilke wurde am 04. Dezember 1875 in Prag geboren. Er war das zweitgeborene Kind der Familie. Seine Schwester war bereits kurz nach der Geburt gestorben.

Als er geboren wurde gehörte die Stadt zu Österreich-Ungarn. Rilke war nach damaligem Verständnis also österreichischer Bürger. Er gilt als einer der größten Dichter der literarischen Moderne. Er schrieb in deutscher und französischer Sprache.

Rilke ging zur Militärrealschule, musste aus gesundheitlichen Gründen aber abbrechen. Später versuchte er es auf der Handelsakademie. Diese musste er aufgrund einer skandalösen Liebesaffäre beenden. Er machte mit Privatunterricht weiter und erlangte die Matura (das Äquivalent zum deutschen Abitur). Rilke studierte, wechselte dabei mehrfach das Fach.

Er hielt nicht viel davon, dass im Christentum die Vorbereitung auf das Jenseits im Vordergrund steht. Mehr hielt er vom Islam und auch von der Vorstellung des Pantheismus (Gott und Natur und Universum sind dabei quasi verschiedene Begriffe für dieselbe Allmacht).

Rilke reiste viel und überlebte den ersten Weltkrieg (vermutlich wohl nur, weil er seinen Dienst am Schreibtisch absolvierte).

Er hat sein Leben lang gekränkelt. Ab 1923 musste er mehrfach ins Sanatorium.
Kurz vor seinem Tod wurde die Ursache für seine häufigen Erkrankungen gefunden, Leukämie.
Rilke starb am 29. Dezember 1926.

Einige für mich erschreckende Erkenntnisse über Rilke:
Er war bereit, die Anwendung von Gewalt und die Einschränkung der Freiheit zu akzeptieren, um eine Nation „stärker“ zu machen.
Rilke war begeistert von Mussolini und dem Faschismus.

Ein paar grundsätzliche Gedanken zum Gedicht Schlußstück

Der Begriff Schlusstück stammt aus der Typografie und bezeichnet ein schmückendes grafisches Element, das inhaltliche Abschnitte abschließt. Dadurch werden Texte gegliedert. Bereits mit der Wahl des Gedichtstitels beginnt Rilke also damit der Leserin/ dem Leser mehrere Deutungen des Gedichts zu ermöglichen. Sein Schlußstück beendet den Text nicht, er beginnt ihn damit.

Rilke wählt nicht den Begriff „Schlusstrich“ als Synonym für ein absolutes Ende, sondern entscheidet sich für das „Schlußstück“, für ein Symbol, mit dem Abschnitte erkennbar gemacht werden.
Ein Hinweis darauf dass der Tod für ihn nicht das absolute Ende darstellt, sondern das Ende eines Abschnittes, auf dem ein anderer Abschnitt folgt?

Das Ende als Anfang?
Oder eine Art Religionskritik daran, dass sie vom Ende her denkt?
Vielleicht auch ein Hinweis darauf, dass das Leben ein Abschnitt ist, der durch das „Schlußstück Tod“ beendet wird? Also der Tod als gliederndes Schmuckelemet, ohne eigene Bedeutung für den Inhalt des „Textes Leben“?

Der Tod als eigenständig existierendes Wesen, als Person darzustellen, ist weit verbreitet. Auch für mich hat er mehrere Ebenen, wie zum Beispiel physisch-biologischer Tod, geistiger Tod, Tod der Seele, … – und ja, auch für mich ist der Tod durchaus zusätzlich auch eine Person, fähig zu Emotionen wie Wut oder Mitgefühl. Hauptsächlich tut er einfach nur seine Arbeit.

Der Tod ist groß, größer als wir. Jeder von uns stirbt eines Tages.

„Wir sind die Seinen Lachenden Munds.“ Hier nutzt Rilke das Personalpronomen „Wir“. Nutzt er es, um alle Menschen oder die gesamte Schöpfung in seine Aussage mit einzubeziehen? Oder als Pluralis Majestatis, um die Majestät der Schöpfung auszudrücken? Oder in einer Art Selbstüberschätzung, seine eigene Hoheit über das Leben?

Zugleich schreibt er das Wort „Seinen“ groß. Er substantiviert es. Das Wort „Seinen“ wird in der deutschen Sprache sonst nur groß geschrieben, wenn damit unser Herrgott gemeint ist. Setzt Rilke damit den Tod gleich mit Gott? Oder ersetzt er Gott in seiner Position durch den Tod?

Das Wort Lachenden schreibt er ebenfalls groß. Um es zu betonen? Um seine Freude über den Tod zu betonen? Die Freude über die Gewissheit des eigenen Todes?

Der Satz “ Wenn wir uns mitten im Leben meinen, “ drückt aus, dass wir uns unseres aktuellen Zustand nicht bewusst sind. Beziehungsweise uns dessen zumindest nicht sicher sein können.

Mit „wagt er zu weinen“ drückt er aus, dass der Tod etwas wagt, sich etwas traut. Er zeigt Gefühle. Er zeigt Verletzlichkeit.

Das “ mitten in uns.“ wiederum zeigt an, dass der Tod nicht ist, dass von außen an uns herantritt, sondern dass er bereits ein Bestandteil unseres Seins ist. Und zwar nicht irgendwo am Rande unseres Ichs, sondern im Kern unserer Existenz. Es ist der Tod, der unsere Existenz zu dem macht, was sie ist.

Was meinst denn Du, warum weint der Tod?

Weint er, weil wir noch leben?
Er uns noch nicht abgeholt hat?
Aus Neid?

Oder weil wir denken, wir würden leben,
doch in Wahrheit gerade das eben nicht tun?
Weint er aus Mitleid mit unserer Dummheit?

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